Ich muss zugeben, dass ich Jesus auch nicht gleich gefunden habe.
Im Bild und auch im wirklichen Leben ist Er nicht immer so offensichtlich.
Was kommt nach der Asche?
Mich hat der Gedanke beschäftigt, aber ich denke in dieser Krise nicht nur mich.
Was bleibt? Nur Asche oder vielleicht sogar wieder etwas Schönes, das neu erstrahlt? Ich musste an den Phönix denken.
Das war ein schöner Gedanke. Zugegeben, ich bin an dieser Stelle eher „Happy Potter“ gebildet. Mir war gar nicht klar, wie viele ähnliche Sagen und verschiedene Mythologien in unterschiedlichen Kulturen unabhängig von einander über diesen Typus bestehen. Wir bleiben mal bei dem Vogel, der in Flammen steht, stirbt und sich aus der Asche in neuem Glanz erhebt. Ein Stehaufmännchen, das man umhauen kann, aber das sich immer wieder aufstellt. Das Bild des Phönix ist tiefer, weil es den Schmerz des Sterbens mit einschliesst. Ja, den Schmerz des Sterbens können wir in der aktuellen Situation nicht mehr verdrängen.
Es ist die Hoffnung durch das Sterben hindurch zu neuem Leben; die Hoffnung dass ich, du, eine ganze Nation, ja alles, was sterben kann, sich wieder in neuer Schönheit erhebt, lebt und fliegt. Frei ist. Gesund ist. Schön ist. Stark ist.
Dieser Archetypus, dass der Todgeglaubte in neuer Stärke zurückkehrt, scheint seit langer Zeit tief in uns Menschen Resonanz zu finden. Was ist es genau?
Der Phönix sucht sich, wenn er alt wird eine Palme, verbrennt in seinem selbst gemachten Nest und ersteht aus einem kleinem Wurm oder einem Ei wieder neu aus der Asche. Ist es der Wunsch, die Kraft der Jugend wieder zu erlangen? Der Phönix verbrennt im Feuer. Feuer steht so oft für Gericht, aber auch für Läuterung und Reinigung. Ist es die Sehnsucht, wieder ganz neu anfangen zu dürfen? Ich würde gerne wieder unbelastet und unbeschwert leben, unschuldig, unverletzt und offen in Beziehungen treten. „Können wir nicht noch einmal neu anfangen?“ - so enden ironischer Weise viele Beziehungen. Wenn Fehler und Schuld wirklich vergangen und vergessen wären. Ganz Neu. Einfach ein leeres, weißes Blatt Papier. Ein neuer Anfang. Aber woher nimmt der Vogel die Kraft, sich nicht nur wieder zu erheben, sondern sich wirklich vom Tod wieder zu beleben? Die Frage bleibt unbeantwortet.
Einen Tag nachdem ich den Gedanken an den Phönix hatte, hat mir mein holländischer Flachland-Freund, das Titelbild geschickt. Er hat es gemalt, und mir geschickt, um mich zu ermutigen. Ich war ganz ausser mir. „Ein Phönix!?“
„Das ist kein Phönix. Der muss ja immer wieder Sterben. Sterben ist doch nicht schön. Das macht doch keine Hoffnung - das ist die Hölle!
Das ist eine Taube.“
„Aha. Was wolltest du mit dem Bild zeigen?“
„Die Dreieinigkeit und Pfingsten. Die Taube ist der Heilige Geist. Jesus ist mitten drin mit ausgebreiteten Armen. Er gibt. Er sendet.
Und Gott ist in allem. Es sind seine Hände die alles tragen.
Die Hände sind auch Menschenhände. Es ist Gott in uns. Hände die empfangen.“
Ich war ganz fasziniert von dem Bild. „Wo ist Jesus? Ich finde Ihn nicht!“
„Wie gut, dass Er dich schon gefunden hat.“ - war seine Antwort.
„Haha.“
Etwas verärgert musste ich jetzt doch kurz innehalten. Der Phönix. Immer wieder Sterben. Immer wieder Hölle. Und dann ist da keine Antwort. Woher nimmt der Vogel die Kraft zum wieder Auferstehen? Woher soll ich Licht nehmen, wenn es in mir finster ist?
Dreieinigkeit und Pfingsten.
Das Bild fing an mir Fragen zu stellen und zu mir zu reden. Schlagworte, kurze Sätze:
Nicht alleine aber einig. Ein Geheimnis. Getragen in Gottes Hand. Offene Hände. Loslassen. Ich habe nicht alles unter Kontrolle. Ich empfange. Ich bin abhängig, bin bedürftig, kraftlos, schuldig. „Jesus, ich sehe dich immer noch nicht!“ Das hat mich echt gefuchst.
Wenn du mich fragst was Tod bedeutet, dann würde ich sagen: „Das Ende von Beziehung.“
Damit meine ich, der Tod beendet jede wirkliche Form von Beziehung. Und gleichzeitig heisst jedes Ende von Beziehung, dass etwas stirbt. Etwas in mir. Wenn Tod das Ende einer jeden Beziehung bedeutet - nach meiner Logik - dann hätte geheilte oder eine wahrhaft wiederhergestellt Beziehung, eine Versöhnung, etwas von einer Wiederbelebung.
Es gibt in der Bibel eine recht bekannte und bewegende Geschichte, über einen Sohn, der von zuhause weggelaufen ist: „Der verlorene Sohn“. Er lässt sich das Erbe auszahlen und sagt damit zu seinem Vater: „Du bist für mich gestorben.“ Jesus erzählt die Geschichte, um zu zeigen, wie Gott ist. Der Junge entscheidet irgendwann nach Hause zu kommen, und der Vater empfängt ihn mit offenen Armen. Interessant ist, was der Vater sagt:
„Bringt das beste Festgewand her und zieht es ihm an, und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an die Füße; und bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es; und lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden.“ | Lk 15, 22-24
Mein Sohn war tot. Und er ist wieder lebendig geworden.
Der Sohn sagt: „Ich habe Mist gebaut.“
Der Vater sagt … nichts. Nein, er hat ihm schon längst vergeben! Er umarmt ihn, küsst ihn. Er setzt ihn wieder in der Familie ein, mit allen Rechten eines Sohnes. Aber solange, der Sohn weg war und keine, ja eine zerstörte Beziehung bestand, war der Sohn für den Vater tot. Tatsächlich ist ja auch ein Ausdruck von zerstörter und enttäuschter Beziehung: „Du bist für mich gestorben.“
Für so einen Asche-Moment, wenn ich auf die Asche meines Lebens oder meiner Beziehungen schaue, was bleibt da zu sagen?
Hey, Phönix! Steh auf aus der Asche! Das Leben geht weiter! „Eine neue Liebe ist wie ein Neues Leben!“ Hm, ok. Aber wenn mir das jetzt schon wieder passiert ist. Immer wieder der gleiche Mist. Wieder gescheitert. Wieder verlassen. Wieder … Hey, Phönix! - ich mag nicht mehr! Ich will nicht immer wieder hier landen. Ich wollte nie hier landen!
„Sterben ist doch nicht schön. Das macht doch keine Hoffnung - das ist die Hölle!“ - wie mein holländischer Flachland-Freund treffend gesagt hat. Das macht ein Mensch nicht ewig mit. Da mag man irgendwann nicht mehr leben, erst recht nicht ewig.
Dieser Sohn, in der Geschichte die Jesus erzählt, landete irgendwann bei den Schweinen. Das Geld ist weg. Verlassen von Freunden in einer Hungersnot. Hungrig. Und er sehnt sich danach, seinen Hunger zu stillen mit Schoten, die für die Schweine gedacht waren; also mit etwas womit er sich früher nie zufrieden gegeben hätte. Selbst das wird ihm verweigert. Das ist ein Asche-Moment. So unwürdig, dass er sich schier vor sich selber ekelt.
„Da ging er in sich.“ | Lk 15, 17
Was für ein Satz!? Was für ein Erwachen!? Ich stelle mir vor, dass es sich anfühlt, als würde man schweißgebadet aus einem Alptraum aufschrecken, und es einem dann auf einmal dämmert, dass dies die eigene Realität ist.
Der Phönix baut sich ein Nest, damit er darin verbrennt. Das finde ich auch schwierig.
Ich würde gerne etwas bauen, das bleibt.
Es wäre ein bitteres Erwachen, wenn mir das Werk meiner Hände, vor meinen Augen verbrennt und zu Asche zerfällt. Und das immer wieder. Ent-täuscht. Mit der Aussicht hilft mir auch keine Auferstehung.
„Da ging er in sich.“ Dieser Satz ist bemerkenswert. Deswegen habe ich ihn auch nochmal geschrieben. Es gibt nämlich tatsächlich auch andere Möglichkeiten, was man in diesem Moment tun kann. Es ist sicherlich nicht das Einfachste, sich seiner Wirklichkeit zu stellen.
Der Satz bedeutet so viel wie:
Er kam zu sich. Wird nüchtern. Er kehrt bei sich ein.
Er stellt sich der Wirklichkeit über sich.
Stellt sich seiner Schuld. Er erkennt und bekennt: „Ich habe nicht. Ich bin nicht.“
Ich habe nicht, was ich haben wollte. Ich bin nicht, wer ich sein wollte.
Das Eingeständnis kostet.
In uns finden wir die wahre Sehnsucht.
Was wäre, wenn ich dir sagen und bezeugen würde, dass Jesus zu diesem Schweinestall kommt und dir die Geschichte(n) aus Lukas 15 erzählt. Wenn dir jemand sagen würde, was passieren wird, wenn du dich aufmachst und dich deiner Realität stellst. Es ist wie es ist. Aber wenn er dir auch erzählen würde von diesem Zuhause, einem Nest das bleibt. Und von diesem Vater und wie Er sein wird, wenn du kommst - trotz all dem „Ich habe“ oder „habe nicht“ und dem „Ich bin nicht“. Da sind liebende, offene, starke, tragende Hände.
Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass für all die Ungerechtigkeit und das Versagen in deinem Leben jemand den vollen Preis bezahlt hat, weil er dich liebt. Das ist einem oft nicht so bewusst. Im gleichen Maß ist Jesus mir oft verborgen. Jesus ist mittendrin und wird mit dem Offenbarwerden der eigenen Schuld oft erst so wirklich sichtbar. Wenn es finster ist, strahlt er umso heller auf. Ich habe ihn übrigens jetzt gefunden.
Es ist sein Gegenwärtig-Sein. Sein Blick. Sein Wort. Seine Gerechtigkeit. Seine Gnade. Sein Blut. Sein Geist.
In der Dreieinigkeit zeigt sich wie sehr Gott Beziehung ist. Durch diese Vergebung, für die Jesus am Kreuz starb, können wir in diese vollkommene Beziehung hinein versöhnt werden. Eine Beziehung die von Ewigkeit her war und immer bleiben wird. Eine Beziehung in der gilt:
Ich bin im Wir sind Eins.
Das ist eine andere Perspektive als „immer wieder von vorne“.
Ich möchte diesem Dreieinigen Gott danken, der zum Maler des Bildes sprach: „Lass uns nochmal von vorne anfangen.“
Das ist wahrhaftig inspirierend. Ich glaube, das braucht es.
„Er öffne euch die Augen des Herzens, damit ihr erkennt, was für eine Hoffnung Gott euch gegeben hat, als er euch berief, was für ein reiches und wunderbares Erbe er für die bereithält, die zu Ihm gehören, und mit was für einer überwältigend großen Kraft er unter uns, den Glaubenden, am Werk ist. Es ist dieselbe gewaltige Stärke, mit der er am Werk war, als er Christus von den Toten auferweckte und ihm in der himmlischen Welt den Ehrenplatz an seiner rechten Seite gab.“ | Eph. 1, 18-20
Es ist eine Taube, kein Phönix.
Friede mit euch!
Gesegnete Pfingsten.
– Michael