In den letzten Tagen lese ich immer wieder, dass die „Corona Krise“ weltweit die Scheidungsraten in die Höhe treibt. Allein in China seien die Standesämter über Wochen für Scheidungstermine ausgebucht, berichtet die Global Times. Ich frage mich, ob externe Krisen wirklich mit voller Wucht und ungebremst unsere Partnerschaften treffen müssen und wir diesem Szenario hoffnungslos ausgeliefert sind?
Durch Corona werden sich viele Parameter ändern, was in der Konsequenz dann eben auch viele Partnerschaften verändern und eine signifikante Anzahl auflösen wird. Paare, die jetzt gemeinsam Corona überstehen, werden auch künftig deutlich resilienter sein. (Institut für Kommunikation und Gesellschaft)
Eine externe Krise trifft uns völlig unerwartet und übersteigt alles was wir bisher gelernt haben, um die Situation zu meistern, sagte die Psychologin Becky Haas letzte Woche in einem Interview. Unsere Kapazitäten sind also überlastet, in jeder Hinsicht. Und das erzeugt dann Stress. Der ist nicht nur unangenehm, sondern gibt uns hormonell und muskulär auch Kraft und Energie neue Lösungsstrategien zu entwickeln. Das klingt ja vielversprechend. Trotzdem frage ich mich, warum gerade Partnerschaften in einer Krise so in der Zerreißprobe stehen. Nirgends tauchen Berichte auf, dass Männer ihren besten Kumpel in die Wüste schicken oder Frauen massenhaft ihre BFF kündigen. Dass Geheimnis könnte doch vielleicht darin liegen, dass Männer und Frauen in der objektiv gleichen Krise an unterschiedlichen Nöten und Ängsten leiden.
Während ich mich selbst immer wieder dabei erwische, wie sehr ich mich jetzt nach Nähe, Geborgenheit und Gesprächen sehne, scheint es Männern in meinem Umfeld gar nicht so viel auszumachen auch einfach mal Zeit mit sich selbst zu verbringen. Ja, einige atmen sogar richtig auf, nicht pausenlos in soziale Interaktion eingebunden sein zu müssen. Sie schaffen sich Projekte, reparieren ihr altes Boot, stürmen den Baumarkt, zocken oder traben stundenlang mit dem Hund durch den Wald. Die meisten meiner Freundinnen und Kolleginnen teilen mein Schicksal und sehnen sich nach gemeinsamen Spaziergängen, einem „Kaffeetrinken“ oder einer Umarmung. Ich meine nicht, dass es pauschal so sein muss, aber die Tendenz, worin sich die Bedürfnisse beider Geschlechter unterscheiden, ist schon irgendwie auffällig.
Unser eigener Egoismus verleitet uns dazu, den Partner zum Heiland zu machen. Wer das zugeben kann, ist meistens danach schon befreiter und kann anfangen an sich zu arbeiten. Wer aufhört darauf zu starren, wie unglücklich er ist, wird merken, wie er langsam glücklicher wird. (Timothy Keller)
Partnerschaften leben doch davon, dass Nähe und Distanz, sowie Neues und Vertrautes in einer guten Balance zueinander stehen. Und eben das scheinen die Krisen auf den Prüfstand zu stellen. Normalerweise verteilen sich unsere Bedürfnisse in unsere verschiedenen Lebensbereiche und finden dort Befriedigung- Job, Hobby, Freundschaften, Familie und Glaube. Doch in Zeiten einer Krise und vor allem in sozialer Isolation wird der Ausschnitt, den wir auf das eigen Leben haben enger und der Fokus meist schnell auf das gelenkt, worin wir jetzt Mangel haben. Und das ist dann in der Tat Sprengstoff im Beziehungsalltag.
Für mich stellt sich die Krise allerdings doch als eine echte Chance heraus (vorausgesetzt ich entscheide mich dafür), meinem Partner wirklich nochmal neu zu zuhören, was ihm gut tut, was ihn besorgt und wobei ich nicht helfen kann und dabei zu akzeptieren, dass er andere Bedürfnisse und Nöte in einer Krise hat, als ich. Mich selbst zu fragen, wie ich ihn dabei unterstützen kann, hat mich tatsächlich hoffnungsvoller gemacht, als auf den Mangel in mir zu schauen und mir dabei zu überlegen wie ich/er mich glücklicher machen kann. Klar, das gelingt nicht immer sofort aber es verändert doch die Perspektive und die Möglichkeiten Einfluss auf unsere Beziehung zu nehmen. Tatsächlich haben Forscher rausgefunden, dass Paare die es in einer Krise (also auch in einer internen) noch 5 Jahre miteinander versuchen zu 60 Prozent wieder glückliche und erfüllte Partnerschaften miteinander leben können. Das sagt mir irgendwie, dass ich das verzweifelte Gefühl in einer Lebenskrise nicht unbedingt als Kapitän ans Steuer meines „Schiffes“ lassen sollte, sondern mich besser an externen Werten und Beratern orientiere. Das können gute Freunde, Paarberatungen und hochwertige Literatur sein. Also nicht die „Brigitte“ oder so.
Und es geht ja nun wirklich nicht nur darum, dass die Beziehung „überlebt“. Langfristig zumindest verspüre ich den Wunsch, das unsere Partnerschaften stärker, reicher und vertrauter sind als vor den Krisen, die so oder so auf uns zukommen und gemeistert werden wollen.
Jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, was dem Anderen dient.
– Philipper 2,4
– Katharina